Von Lesestunden bis Fußballfieber – Hannas Bolivien-Erfahrungen

Liebe Mitglieder von Joven Esperanza, liebe Interessierte!
Ich bin Hanna, und wieder zurück in Deutschland nach einem dreimonatigen Aufenthalt im Projekt „Crece y Suena“ in Camiri / Bolivien.

Mitte Juni 2025 flog ich nach Bolivien, um im Projekt vor Ort zu unterstützen. Bei meiner Ankunft in Camiri wurde ich von Doña Margoth, der Präsidentin der Fundación, und Zoé, der damaligen Freiwilligen im Projekt, am Busbahnhof in Camiri in Empfang genommen und später von den Kindern und Mitarbeitern freundlich begrüßt. In der Fundación hatte ich ein eigenes Zimmer mit eigenem Bad; das war sehr angenehm, eigentlich Luxus.

Zoé half mir, die Tagesabläufe in der Fundación zu verstehen. Mit Doña Margoth ging ich am ersten Wochenende durch das Viertel, um bei einigen Wohnorten der Kinder vorbeizuschauen, die die Fundación besuchen. Doña Margoth ist im Viertel und auch in der Stadt bekannt, weil sie dort seit über 30 Jahren wohnt und sich schon lange für die sozialen Belange ihrer Mitbürger einsetzt. So konnte ich einen ersten Eindruck von den Lebensumständen der Kinder gewinnen, die teilweise in sehr ärmlichen Verhältnissen und schwierigen Familiensituationen leben.

Der normale Tagesablauf in der Fundación ging folgendermaßen: vormittags hatte ich erstmal Zeit, um mich um meine eigenen Angelegenheiten zu kümmern, also Frühstück, Einkaufen auf dem Markt, Sport oder Spanisch lernen. Um 9 Uhr kommen die Köchinnen in die Fundación, um mit den Vorbereitungen für das Mittagessen der Kinder zu beginnen. Ab ca. 11 Uhr wird von den Mitarbeitern und Freiwilligen der Raum und der Hof für die Ankunft der Kinder vorbereitet. Ab 11:30 Uhr kommen die ersten Kinder aus der Schule, die auch bei den Vorbereitungsarbeiten mithelfen und danach Zeit zum Spielen haben. Es wird Fußball auf dem Hof gespielt oder drinnen alles Mögliche zwischen Halli Galli, Memory, Schwarzer Peter, Uno und anderen Spielen, bei denen ich eine beliebte Spielpartnerin war. Ungefähr 50 bis 55 Kinder zwischen 6 und 18 Jahren besuchen die Einrichtung wochentags.

Zwischen 12:30 Uhr und 13:30 Uhr gibt es Mittagessen. Die kleineren Kinder bleiben an ihrem Tisch sitzen, das Essen wird ihnen von den Mitarbeitern / Freiwilligen gebracht. Es gibt immer eine Suppe, die sich die größeren Kinder an der Essensausgabe selber abholen. Der zweite Gang (segundo) wird allen Kindern von den Mitarbeitern gebracht, dazu gibt es jeweils einen Becher Wasser zu trinken. Niemand beginnt mit dem Essen, bevor nicht alle ihre Mahlzeit auf dem Tisch haben und ein gemeinsames Tischgebet gesprochen wurde. Wenn alle Kinder ihr Essen haben, nehmen sich auch die Mitarbeiter und ich ebenfalls unser Essen aus der Küche und setzen uns zu den Kindern an die Tische. Nach dem Essen waschen die Kinder draußen an der vorbereiteten Stelle ihr Geschirr ab und bringen es zurück zur Küche. Danach werden Zähne geputzt. Jedes Kind hat seine eigene Zahnbürste, die Kleineren bekommen von den Mitarbeitern oder Freiwilligen die Zahncreme.

Im Anschluss wird die „hora de lectura“, die Lesestunde, ausgerufen; die Kinder nehmen sich altersgerechte Lektüre und lesen eigenständig oder die Kleineren mit Hilfe. Danach werden Hausaufgaben gemacht, jeweils in altersgemäßen Gruppen mit Hilfe der Mitarbeiter und Freiwilligen. Jede Gruppe hat ihre eigenen Ansprechpartner, die die Bedürfnisse der Kinder kennen und sie entsprechend unterstützen. Einige Kinder können danach beim Gartenprojekt mitmachen oder gehen mit dem Fußballtrainer zum Trainieren auf den Platz, der nicht weit entfernt liegt, oder haben andere Aktivitäten. Nach den Hausaufgaben ist nochmal Zeit zum Spielen und gegen 17 Uhr gibt es für die Kinder noch einen Nachmittagsimbiss mit Getränk. Den Imbiss bereiten oftmals Mütter der Kinder mit zu. Danach wird wieder das Geschirr gespült, die Kinder helfen beim Aufräumen und Saubermachen und gehen danach zurück in ihre Familien.

Ich habe meistens bei den kleineren Kindern unterstützt, da diese Gruppe mit etwa 12 Kindern recht groß ist, die Kinder sehr unterschiedliche Lernstände haben und einige noch viel Hilfe benötigen. Die Lehrerin dieser Gruppe, Fabiola, hat ein großes Spektrum an Aufgaben – von Erklären, Motivieren, Üben, Beschaffen von Material und Kleidung für die Kinder, Ideen für Bastel- und Malaktivitäten, Regeln vermitteln bis zu Hygienemaßnahmen, wo auch ich mich einbringen durfte. Hier habe ich insbesondere mit zwei kleinen Kindern gearbeitet; es war anstrengend und mühsam für die beiden, sich länger zu konzentrieren und die Aufgaben wie Lesen, Schreiben und Rechnen zu bewältigen, neben den ganz alltäglichen Aktivitäten. Mit Geduld, Humor und guten Ideen ging es dann aber doch. Es war schön, Fortschritte insbesondere beim Lesen zu sehen. Die Kinder dieser Gruppe sind sehr offen, vertrauensvoll und ohne Berührungsängste, und so ergab sich eine gute Beziehung und viel Freude im täglichen Beisammensein. Wir waren auch zusammen im Gartenprojekt, um Unkraut zu jäten, zu bewässern oder Yucca zu pflanzen. In dem kleineren Gemüsegarten beim Haus werden mit Hilfe des Gärtners verschiedene Gemüse angebaut, die dann in der Küche für das Essen der Kinder verarbeitet werden, z.B. Tomaten, Möhren, Mangold, Salat, Paprika, Zwiebeln und Kohl. Es gibt beim Haus auch ein paar Papayabäume, deren Früchte wir nach und nach ernten konnten. Im etwas entfernten größeren Gemüsegarten werden hauptsächlich Yucca und Süßkartoffeln angebaut, die etwas mehr Zeit zum Wachsen und nicht so viel Wasser brauchen. Auf diese Weise soll der Anbau von gesundem Gemüse von den Kindern erlernt und das Essen in der Fundación abwechslungsreicher und mit mehr Gemüse und Obst zubereitet werden.

Während meiner Zeit dort gab es in Bolivien einen Masernausbruch, sodass offiziell die Schulen für 3 Wochen geschlossen wurden. Von unseren Kindern war zum Glück niemand betroffen und sie kamen trotzdem mittags in die Fundación, um zu essen, zu spielen, zu lernen oder an anderen Aktivitäten teilzunehmen, zum Beispiel zu lernen, wie man Makramé knüpfen kann. Da waren die Kinder mit Begeisterung dabei.

Fußball ist in Bolivien sehr wichtig und viele Kinder spielen mit Begeisterung, wann und wo immer es möglich ist. In der Fundación gibt es drei altersunterschiedliche Mannschaften, in denen Mädchen ganz selbstverständlich mitspielen. Abends und auch am Wochenende fanden in einer Halle oft Spiele oder Turniere statt, an denen die Kinder der Fundación mit ihrem Trainer teilnahmen und oft auch gewonnen haben. Es gab immer einige Eltern, Lehrer und Freiwillige, die dorthin mitkamen – es war laut und fröhlich und für mich eine wahre Freude, den Kindern zuzuschauen, die mit Eifer, Zielstrebigkeit, Spielwitz und sehr geschickt mit dem Ball dabei waren.

Zu Beginn meiner Zeit war es teilweise ziemlich kalt, nachts manchmal bis 3 Grad Celsius, und im Haus ohne Dämmung und mit Einfachverglasung auch ziemlich kalt im Zimmer. Später war das Wetter wechselhaft mit Temperaturen bis 38 Grad Celsius. Als es sehr heiß war, haben wir die Möglichkeit genutzt, die kleineren Kinder in der Fundación duschen zu lassen. Die Kinder fanden es toll, denn zu Hause in den Familien gibt es dazu keine Möglichkeit.

Anfang August war Zoés Zeit in Bolivien zu Ende und ich war seitdem die einzige Freiwillige im Projekt. Mit den Mitarbeitern Graciela und Aldair, Fabiola und Paola war ich auch außerhalb des Projekts unterwegs, um die Stadt und die Gegend ein bisschen kennenzulernen. Es gab viel zu sehen und zu lernen. Innerhalb kurzer Zeit konnte ich mich auch allein in der Stadt und auf dem Markt zurechtfinden. Es war zu keiner Zeit gefährlich für mich. Mit Doña Margoth in der Stadt unterwegs zu sein, war immer sehr interessant, um z.B. etwas für die Fundación einzukaufen, Schulmaterial, Lebensmittel oder andere Treffen wahrzunehmen, z.B. in der Universität oder beim Fest des 90-jährigen Bestehens von Camiri und der Entgegennahme der Urkunde für die Ehrenbürgerschaft der Fundación oder gar beim Bürgermeister. Ich konnte außerdem einen längeren Ausflug zu Gracielas Familie in den Bergen mitmachen, wo ich einfach in den Alltag der Familie aufgenommen wurde. Es war sehr beeindruckend, diese unglaubliche Landschaft und das Leben der Familie zu erleben.

An zwei Samstagen habe ich mit den größeren Mädchen in unserer Küche Kuchen gebacken nach deutschem Rezept. Da war die eine oder andere Improvisation nötig. Die Mädchen fanden es toll. Der Kuchen wurde auch gleich vor Ort verputzt und der Rest mit nach Hause genommen. An meinem letzten Tag in Camiri konnte ich noch die neue Freiwillige, Tatiana, kennenlernen und ein bisschen was erklären.

Die Mitarbeiter vor Ort – Lehrerinnen, Erzieher, Psychologin, Büroangestellte, Gärtner, Köchinnen, Fußballtrainer und Doña Margoth – sind eine eingeschworene Gemeinschaft, die sich gegenseitig unterstützen. Eine der Lehrerinnen ist zurzeit in Elternzeit und alle helfen mit, die Gruppe der Kinder, die sie zuvor betreut hatte, weiterzuführen und den Kindern zu helfen. Die Arbeit der Fundación gibt den Kindern die Möglichkeit, sich als Mitglied einer Gemeinschaft zu erleben und dort mit grundlegenden Dingen wie warmen Mahlzeiten versorgt zu werden und Unterstützung bei Hygiene, Gesundheit und Bildung zu erhalten, um auf diese Weise eine Chance auf ein besseres Leben zu bekommen.

Meine Zeit in Bolivien ging dann doch ziemlich schnell zu Ende und der Abschied von den Kindern und Mitarbeitern war nicht einfach. Ich habe viel lernen dürfen, und es war ein Privileg, dort ohne Vorbehalte willkommen und Teil der Gemeinschaft zu sein.

Ich sage Dankeschön!
Viele Grüße, Hanna

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